Die Kanzlei activelaw hat sich zugunsten einer Influencerin erfolgreich gegen eine einstweilige Verfügung zur Wehr gesetzt.
Die Kanzlei activelaw hat sich für eine Management- und Vermarktungsagentur erfolgreich gegen eine einstweilige Verfügung zur Wehr gesetzt, die der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. (VSW) vor dem Landgericht Köln (31 O 88/21) gegen sie erwirkt hatte. Mit der Verfügung wurde es der Agentur untersagt, Posts einer von ihr betreuten Influencerin ohne Werbekennzeichnung auf Instagram zugänglich zu machen. Dies geschah, obwohl die Agentur durch Vorlage entsprechender Rechnungen glaubhaft machen konnte, dass die Influencerin die Bekleidungsstücke selbst gekauft hatte. Sie hatte die einzelnen Kleidungsstücke in ihren Posts durch sogenannte Tap-Tags verlinkt – anklickbare Bereiche innerhalb der geposteten Bilder, die zum jeweiligen Händler führten.
Erfolgversprechende Berufung
Die von activelaw gegen die Verbotsverfügung eingelegte Berufung wurde vom Oberlandesgericht Köln in der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2022 (6 U 154/21) als erfolgversprechend beurteilt. Der Senat kündigte an, den Vorgaben aus der aktuellen BGH-Rechtsprechung zur Kennzeichnung von Instagram-Posts folgen zu wollen. Der VSW nahm den Verfügungsantrag daraufhin zurück. Ob er auch die in der Sache zwischenzeitlich durch activelaw erzwungene sog. Hauptsacheklage zurücknimmt, bleibt abzuwarten.
Erwähnenswert ist, dass das Landgericht Köln im gegen die Influencerin selbst betriebenen Parallel-Verfahren (31 O 91/21) den Antrag des VSW zurückgewiesen hatte, weil der BGH zwischenzeitlich die Entscheidungsgründe seiner Grundsatzurteile veröffentlichte. Hiergegen hat der VSW Widerspruch eingelegt, über den zur Stunde noch nicht entschieden ist.
Rechtsanwalt Dr. Sven Dierkes erklärt dazu
Es ist erfreulich, dass es uns vor dem Oberlandesgericht Köln gelungen ist, den VSW in seine Grenzen zu weisen. Auf Basis der Urteile „Influencer II“ und „Influencer III“ (BGH Urteile vom 09.09.2021, I ZR 125/20 und 126/20) war dies aber letztlich folgerichtig.
Denn der BGH hat in seinen ersten Leitentscheidungen zum Influencer-Marketing klargestellt, dass maßgebliches Kriterium für kommerzielle Kommunikation zu Gunsten Dritter eine Gegenleistung ist. Wurde eine solche für die Einbindung von Produkten bzw. setzen von Tags nicht erbracht, kann nicht ohne weiteres das Vorliegen von Werbung unterstellt werden. Dies muss nach unserer Auffassung vor allem dann gelten, wenn in ein und demselben Post Tags auf Accounts konkurrierender Unternehmen gesetzt sind. Denn es ist realitätsfern anzunehmen, Unternehmen, die für Posts bezahlt haben, würde sich dies gefallen lassen
Der BGH hat ferner festgestellt, dass Influencer mit der Veröffentlichung von Posts zwar durchaus das eigene Unternehmen fördern. Einer Kennzeichnung als (Eigen-)Werbung bedürfe dies aber nicht, wenn der Nutzer den kommerziellen Zweck ohne weiteres erkennen könne. Hierfür gäbe es verschiedene Indizien, beispielsweise die Verifikation des Accounts, die Qualität veröffentlichter Bilder oder auch die Anzahl von Likes und Followern.
Ist ein Tag auf eine Location schon Werbung?
Ungeachtet dessen bleiben auch nach den ersten Grundsatzentscheidungen des BGH noch viele Fragen offen. So ist beispielsweise unklar, wie weit der Begriff der Gegenleistung gezogen werden muss, ob etwa mittelbare Leistungen reichen oder ob es – ähnlich wie im Rundfunk – eine Bagatellgrenze geben kann. Spannend kann dies nicht nur im Hinblick auf das Setzen von Tags auf Stylisten, Fotografen und Locations werden. Die Ausführungen des BGH aus der mündlichen Verhandlung zum Verfahren I ZR 35/21 vom 13.01.2022 lassen hier bedauerlicherweise eine sehr strenge Haltung des Bundesgerichtshofs vermuten.
Auch bleibt zu klären, welche Indizien ungeachtet von Tags für einen werblichen Überschuss von Posts sprechen – wann beispielsweise ein übertrieben positives Hervorheben von dargestellten Produkten vorliegen soll – und ob – entgegen des Wortlauts der Gesetzesbegründung zum geänderten § 5a UWG – über die Vorlage von Quittungen hinaus eine Bestätigung von „vertagten“ Unternehmen vorzulegen ist, um den Verdacht der Erbringung von Gegenleistungen zu widerlegen.
Influencer sollten sich daher selbst dann nicht dem Trugschluss hingeben, in jedem Fall Tags setzen zu können, wenn sie von den im Post genannten Unternehmen nicht bezahlt wurden. Die Bewertung, ob ein Post als Werbung zu kennzeichnen ist, bedarf vielmehr nach wie vor einer genauen Betrachtung im Einzelfall. Hierfür liefern die ersten Leitentscheidungen des BGH wichtige Anhaltspunkte. Die wünschenswerte Rechtssicherheit für die Kennzeichnungspflicht von Kommunikation in sozialen Medien stellen die Entscheidungen indes noch nicht her.